Spaziergang am Meer

Eines schönen Tages macht jemand einen Spaziergang am Meeresstrand. Nach einem heftigen Sturm in der Nacht zuvor ist eine Menge an Geröll, Muscheln und Seesternen an Land gespült worden. Aus einem Klumpen von Algen und Seetang schimmert etwas Gelbes hervor: Ein Ball.

Wie ist er hierhin gekommen? Hat ihn ein Kind beim Spielen verloren? Wurde er einfach liegen gelassen oder angespült? Der Spaziergänger kann das nicht wissen. Er zweifelt aber nicht eine Sekunde daran, dass dieser Gegenstand ihm eine Geschichte erzählen könnte:

Geschichte Nr. 1:

Irgendwann wurde dieser Ball von jemandem hergestellt, entweder maschinell oder von Hand. Wer genau das war, bleibt ein Geheimnis, denn eine Herstellerangabe ist auf dem gealterten Gummi nicht mehr zu erkennen.

Vielleicht ist es aber ganz anders gewesen – wir wollen offen sein und uns nicht von vornherein auf eine Geschichte festlegen, zumal auch in der folgenden Geschichte jedes Detail – einzeln für sich genommen – tatsächlich möglich ist.

Geschichte Nr. 2:

Vor langer Zeit standen am Strand einer Südseeinsel eine Kokospalme (Cocos nucifera) und ein Gummibaum (Ficus elastica). Eines Tages fiel eine Kokosnuss von der Palme herunter und prallte auf einen spitzen Stein. Dadurch bekam die Schale ein kleines Loch. Es dauerte nicht lang, bis Ameisen in großer Zahl über den unverhofften Leckerbissen herfielen. Krümelweise höhlten sie die Nuss aus bis nur noch die Schale übrig blieb. Gelegentlich wurde die leere Nuss vom Wind erfasst und rollte hin und her. Eines Tages kam sie unter dem Gummibaum zu liegen, mit dem Loch nach oben. Kurz vorher hatte ein Vogel dem Gummibaum eine kleine Wunde zugefügt, aus der nun für längere Zeit Kautschuk tropfte – genau in das Loch der Kokosnussschale hinein. Schließlich wurde die Nuss erneut vom Wind im heißen Sand herumgerollt. Durch die Hitze setzte Vulkanisation ein, die Kautschukmasse begann auszuhärten. Ein entscheidender Windstoß beförderte die Nuss ins Meer. Hier war sie über viele Wochen und Monate dem Salzwasser ausgesetzt, wodurch die Schale entgültig abfaulte. Übrig blieb der gelbliche, gummiartige Kern, welcher von den Meeresströmungen bis an jenen Strand getrieben wurde.


Welche Geschichte wird der Spaziergänger für die wahrscheinlichere halten? Das hängt von vielen Dingen ab – seiner Erziehung, seiner Neigung Dinge zu hinterfragen, und ob er den Mut hat, sich aus Liebe zur Wahrheit als Außenseiter zu outen.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leser, viel Freude beim Ihrem nächsten Spaziergang durch die Natur. Vielleicht finden Sie keinen Ball. Mit Sicherheit werden Sie weit komplexere Gegenstände und Lebewesen bestaunen können. Alles hat seine Geschichte – welcher Version der Geschichte werden Sie Glauben schenken?

„Was Menschen von Gott wissen können, ist ihnen bekannt, er selbst hat es ihnen vor Augen gestellt. Denn seine unsichtbare Wirklichkeit, seine ewige Macht und sein göttliches Wesen sind seit Erschaffung der Welt in seinen Werken zu erkennen. Die Menschen haben also keine Entschuldigung.“

(Römerbrief 1,19-20 – NEÜ)